Die „entartete Kunst“ aus der Sammlung Gurlitt könnte an die berechtigten Museen herausgegeben werden

Hinsichtlich der Werke aus den Beständen der deutschen Museen, die als „entartete“ Kunst vom Reichspropagandaministerium dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt zur Verwertung überlassen wurden, könnten die betroffenen Museen auch jetzt noch als Eigentümer einen zivilrechtlichen Herausgabeanspruch nach § 985 geltend machen. Es spricht nämlich vieles dafür, dass Hildebrand Gurlitt diese Werke rechtlich nicht übereignet wurden, sondern dass sie als Kommissionsware bis zum vollzogenen Verkauf ins Ausland im Eigentum des Dritten Reiches blieben, da sie im Inland – auch im privaten Eigentum –  gerade als unerwünscht galten und – sofern ein Verkauf ins Ausland nicht möglich war – aus nationalsozialistischen weltanschaulichen Gründen prinzipiell sogar vernichtet werden sollten. Ein tatsächlicher Eigentumserwerb durch Hildebrand Gurlitt war daher aus Sicht der damals zur Ablieferung der Kunstwerke gedrängten Museen und erst recht aus Sicht des nach dem „Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ vom 31. Mai 1938 allein darüber entscheidungsbefugten Reichskanzlers und Führers folglich nicht gewollt und damit nach damaligem Verständnis auch ausgeschlossen bzw. unwirksam. Wenn Hildebrand Gurlitt aber lediglich der Besitz an den Bildern eingeräumt wurde mit der damit verknüpften Auflage des Reichspropagandaministeriums, die im Deutschen Reich unerwünschten Bilder zugunsten des Reiches im Ausland zu verkaufen, sind die Bilder entweder mangels rechtzeitiger Durchführung des Verkaufsauftrages noch immer Eigentum der betreffenden Museen oder der sonstigen staatlichen Stellen des Deutschen Reiches – heute der Bundesrepublik Deutschland, die bekanntlich rechtlich mit dem Deutschen Reich identisch ist – oder Hildebrand Gurlitt hätte versucht, sich die Bilder entgegen des vertraglichen Auftrags in aus damaliger Sicht arglistigen Weise anzueignen. Durch die damit verbundene Täuschung seines damaligen Auftraggebers, auch wenn es sich dabei um eine staatliche Stelle des Dritten Reiches handelte, konnte Hildebrand Gurlitt das Eigentum an diesen Werken jedoch nicht wirksam begründen. Sollte er die Absicht gehabt haben, die Bilder durch heimliches Beiseiteschaffen vor der möglichen Vernichtung zu bewahren, wäre das aus heutiger Sicht zwar lobenswert, er hätte aber auch dadurch kein Eigentum daran erworben. Auch der eventuell erst später gefasste Beschluss, die „geretteten“ Bilder für sich selber zu behalten, begründet keinen Eigentumsanspruch. Nur die über Hildebrand Gurlitt und andere beauftragte Kunsthändler tatsächlich damals auftragsgemäß ins Ausland verkauften Werke sind für die betroffenen Museen daher endgültig verloren, da sie, bzw. die entsprechende Reichsbehörde im Auftrag des Reichskanzlers als rechtmäßiger Eigentümer den Verkaufsauftrag erteilt hatten und daher für eine Rückforderung keine Rechtsgrundlage besteht. Die aber damals noch nicht auftragsgemäß verkauften Werke sind von Cornelius Gurlitt jedoch als unverkaufte Kommissionsware aus dem Besitz seines Vaters an die jeweiligen Museen als deren Eigentümer zurückzugeben. Da die Bilder von Hildebrand Gurlitt und später von Cornelius Gurlitt jahrzehntelang versteckt wurden, hatten die berechtigten Museen als deren Eigentümer keine Kenntnis vom Verbleib der Bilder und deren gegenwärtigem Besitzer, bzw. dem Anspruchsgegner des Herausgabeanspruchs. Daher ist eine Verjährung der Rückgabeansprüche nicht eingetreten. Ein Verwirkung des Anspruchs ist ebenfalls nicht eingetreten, weil die Museen als Eigentümer zu keiner Zeit erklärt haben, auf ihre Rechte bezüglich damals nicht auftragsgemäß verkaufter, sondern lediglich verschollener oder versteckter Bilder verzichten zu wollen.

Bernd F. Lunkewitz